Die Altartafel "Die Kreuztragung“ aus der Kirche Pratau ist ein Werk von Lucas Cranach dem Älteren (1472-1553). Das haben Recherchen der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland ergeben. In der Dorfkirche Dabrun wird das zwei Meter hohe und ein Meter breite Kunstwerk öffentlich präsentiert.
Wie die Kirchenkonservatorin und Kunstreferentin der Kirche, Bettina Seyderhelm, sagte, stieß sie bei Recherchen zur Herkunft der Tafel auf eine Vorzeichnung im Pariser Louvre, die von Cranach dem Älteren stammt. Deshalb gehe die Forschung davon aus, dass die Tafel mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem großen Bilderzyklus stamme, den Kardinal Albrecht in den 1520er Jahren bei der Cranach-Werkstatt in Wittenberg für die Stiftskirche in Halle in Auftrag gegeben hatte. Laut Seyderhelm ging die Forschung bisher davon aus, dass Albrecht, als er 1541 Halle in Richtung Mainz verlassen musste, alle Kunstwerke mitgenommen habe. Jetzt bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass neben der Cranach-Tafel noch weitere Kunstwerke in der Region verblieben seien. Die Altartafel wird aus Sicherheitsgründen nicht mehr in der Dorfkirche Pratau, sondern in Dabrun zu sehen sein. Sie zeigt Christus, der inmitten einer großen Volksmenge sein Kreuz auf den Berg Golgatha tragen muss.
CRANACHS KIRCHEN
DER SCHATZ VON DABRUN
DABRUN. Von einer kleinen Sensation ist die Rede gewesen, als im August 2013 in der evangelischen Kirche von Dabrun ein Tafelgemälde mit dem Titel „Die Kreuztragung“ vorgestellt wurde, das die Experten Lucas Cranach dem Älteren zuordneten. Entsprechend groß war das öffentliche Interesse, Ortspfarrer Jürgen Hofmann schaffte es damals sogar in die Vorabendausgabe der „tagesschau“ und noch heute spricht er von einem „großen Medienrummel“.
Doch habe der nicht dazu geführt, dass jetzt, im Cranachjahr 2015, der Besucherandrang „besonders groß“ sei. Das freilich liegt immer im Auge des Betrachters, Clemens Huth aus Dabrun etwa bewertet die Resonanz durchaus positiv. Immer mal wieder kämen einzelne Besucher, Anfang September hatte sich gar die Goethe-Gesellschaft aus Kronach angemeldet. Huth, der vor Jahr und Tag vor allem durch seine ebenso erfrischend-virtuosen wie erfolgreichen Liedvorträge bei Wettbewerben wie „Jugend musiziert“ auffiel, studiert inzwischen Theologie in Leipzig und führt, wenn er Zeit hat, Cranach-Enthusiasten durch seine Heimatkirche. Dann berichtet er kenntnisreich über das Tafelbild, das zunächst in der Kirche von Pratau hing. Während sich dort Pfarrer Hofmann ziemlich sicher war, sonntags im Gottesdienst unter einem Werk des älteren Cranach zu predigen, wiesen andere das Bild der Werkstatt oder dem Sohn, respektive dem diesjährigen Jubilar zu.
Zu trocken, zu hell
2012 wurde „Die Kreuztragung“ abgenommen und in die Pratauer Sakristei gelegt - die klimatischen Verhältnisse sowie die Helligkeit in der viel genutzten Kirche hatten der Arbeit zugesetzt. So löste sich an etlichen Stellen die Malschicht, nachdem sich durch die Trockenheit das Holz zusammengezogen hatte. Die Zuweisung der Urheberschaft zu Cranach dem Älteren offenbarte sich im Rahmen der Restaurierung, die vor Ort in der Sakristei in Pratau realisiert wurde und in deren Zusammenhang Bettina Seyderhelm begleitend geforscht hatte. Dabei war Seyderhelm, Kunstreferentin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), auf eine entsprechende Vorzeichnung im Pariser Louvre gestoßen. Darüber hinaus geht die Forschung davon aus, dass die Tafel aus dem großen Bilderzyklus stammt, den Kardinal Albrecht in den 1520er Jahren in der Cranach-Werkstatt in Wittenberg für die Stiftskirche in Halle in Auftrag gegeben hatte. Dort, so Huth, war Cranachs Gemälde ursprünglich ein Seitenaltar. Wegen der reformatorischen Bewegung musste Albrecht Halle jedoch verlassen.
„Außerdem hatte er so viele Kunstschätze angehäuft, dass er die Gläubiger nicht mehr bezahlen konnte“ und die Stiftskirche räumen ließ. Auf Pferdewagen traten demnach die Kunstwerke ihren Weg ins Aschaffenburger Schloss an. Das heute in Dabrun befindliche Tafelbild sei damals nicht mit auf den Transport gegangen. Es gelte als „wahrscheinlich, dass Cranach das Bild als eine Art Schuldentilgung zurücknahm“. Man gehe davon aus, dass es als Geschenk der Familie Cranach in die Pratauer Kirche gelangte. Auf dem detailreichen Bild trägt Jesus ein dem Anschein nach aus frischem Holz gezimmertes T-Kreuz durch eine große Menschenmenge, helfend zur Seite steht ihm Simon von Cyrene. Wie es bei Huth heißt, soll das Materialdetail die Auferstehung symbolisieren, „denn aus einem Holz, das noch Rinde trägt, kann ein grüner Trieb, also neues Leben schlagen“.
Als interessant bezeichnete 2013 anlässlich der Präsentation des restaurierten Bildes Kunsthistorikerin Seyderhelm die Blickachsen der Figuren sowie die Gewänder. Bemerkenswert sind zudem zwei Kleinwüchsige im Vordergrund, die Jesus verspotten. Und während überall sonst dichtes Gedränge herrscht, wurde ihnen und einem Hund so viel Raum gegeben, dass sogar der Erdboden sichtbar wird. Oben rechts im Bild ist die Hinrichtungsstätte, Golgatha genannt, zu sehen, wobei neben die Kreuze noch ein Rad gemalt wurde. Das Rädern war im Mittelalter und der frühen Neuzeit eine extrem grausame Folter- und Hinrichtungsmethode. In Preußen etwa wurde sie noch bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts praktiziert. - Zum weiteren Personal auf dem farbenprächtigen Tafelbild gehören neben anderen die beiden Schächer, welche der Überlieferung nach links und rechts von Jesus gekreuzigt wurden, ebenso weinende Frauen (Marien), Landsknechte, der jüdische Hohepriester und Johannes mit dem Lockenkopf.
Interessante Ausstattung
Ansonsten nennt es der Theologiestudent einen „Glücksumstand für unsere Gemeinde, solch einen Kunstschatz beherbergen zu dürfen“. Zu den anderen, mindestens interessanten Ausstattungsstücken der Kirche gehört oberhalb des Altars ein rundes Buntglasfenster, das den leidenden Christus zeigt. Über der Geißler-Orgel ist ein Triumphkreuz aus dem 17. Jahrhundert angebracht, das bereits in der Vorgängerkirche hing. Die heutige Dorfkirche wurde anno 1897 gebaut, möglich wurde dies in besonderem Maß durch das Zutun der Gutsherrenfamilie von Oberkampf. An sie, ebenso an die Eheleute von Staupitz, erinnert im Eingang ein Epitaph.
Eine gute Akustik macht die Kirche zum beliebten Konzertort. Sogar eine CD-Einspielung hat es Hofmann zufolge schon gegeben. Der führt schließlich noch unter die Empore, dort hängt links vom Altarraum eine weitere „Kreuztragung“. Gemalt wurde sie im 18. Jahrhundert nach einem Werk des Barockmalerstars Peter Paul Rubens. Auch dieses Bild, so Pfarrer Hofmann, soll noch restauriert werden. (mz)